Irgendwann, auf Hoher See
Das Schiff ist entrostet und gestrichen, die Kabinen sind geputzt, der Einkauf ist getan. Gegen elf Uhr am Dienstag den 2. Juli laufen wir aus, Kurs Carti, San Blas. Sieben Motorräder, einundzwanzig Seelen, Crew und Kapitän inklusive.
Die Überfahrt verläuft ruhig. Beinahe keine Wellen, kein Wind. Ein paar Delfine begleiten uns. Matthias und Lena, ein sehr aufgewecktes und interessiertes deutsches Pärchen wächst mir ans Herz. Genauso Kobra, der mehr Bier trinkt als alle anderen, und der weise Ignacio.
Der weise Ignacio sagt Sachen wie: „Vielleicht gibt es keinen falschen Weg, dieses Brett in seine vorgesehene Halterung zu bekommen, aber einen richtigen.“ Und danach funktionieren die Dinge.
In der Nacht kommen die Delfine zurück. Sie sind in der Dunkelheit kaum auszumachen, aber da ist ja das Meeresleuchten. Ihre länglichen Körper werden von aberhunderten grünlich phosporiszierenden Punkten erleuchtet, bald kann man ihre Körperumrisse wahrnehmen, kann sie voneinander unterscheiden und ihnen mit den Augen folgen. Sie sehen aus wie gute Geister.
In Coco Bandero gibt es eine kleine Insel, nur zwei Palmen wachsen darauf, wo wir unsere Gäste gelegentlich absetzen. Man kann dort Sandburgen bauen, Schnorcheln, einsamer Gestrandeter spielen. Mit einer Gruppe von vier Gästen mache ich mich auf den Weg, das Riff mit Finnen, Schnorchel und Taucherbrille zu umrunden. Ich habe mir oft Gedanken gemacht, was passieren würde, wenn ich in einer solche Situation einem Hai begegnen würde, und dann gibt es keine Gedanken mehr zu machen, denn der Hai ist da. Etwa zehn Meter entfernt, etwa zweieinhalb Meter unter mir, kommt er aus dem Dunkel: ein Katzenhai, etwa so groß wie ich, kegelförmig, die breiteste Stelle zwischen Kiemen und Kiefer. Einen Moment bin ich wie erstarrt, dann frage ich mich, wo die Angst bleibt.
Dann schwimmt der Hai unter mir hinweg. Kein Zucken, keine hektische Bewegung, nichts was darauf schließen lassen würde, dass er meinen Finger essen würde. Er strahlt eine Friedfertigkeit aus, die einen alle Schauergeschichten vergessen lässt.
Ich drehe mich um, schwimme über und mit ihm, vielleicht zwei Sekunden, vielleicht zehn Sekunden, ich weiß es nicht. Aber für einen kurzen Moment, bevor er wieder in der Dunkelheit verschwunden ist, sind wir Freunde.