23. Juli, Hohe See
Nachtwache am 23. Juli, 01:32 Uhr auf der Fahrt nach Cartagena, ausgehend von San Blas wo die Kartoffeln melonengroß auf den Bäumen wachsen.
Ich habe ein Buch bei mir, eine Knotenfibel, ein Seil, eine Mundharmonika, ein Taschenmesser, eine Uhr, eine Tüte Snyders of Hannover Pretzel Pieces Honey Mustard & Onion, zwei Blattpapier, eine Stirnlampe, einen Stift und ein Notizheft. Am Ende habe ich bis auf diese Zeilen vor allem einen langen Brief an die Heimat geschrieben. Ich habe auch ein Bild gemalt, aber das Herz sieht aus wie ein Toastbrot. Die Sicht ist klar, wir haben Vollmond; bis auf ein paar unverhoffte Großwellen, die den Bug in Gicht tauchen und mich für einen kurzen Moment aufschrecken lassen, liegt die See ruhig. Fahrt unter Motor und zwei Segeln. Der Wind ist nicht stark, aber stark genug, um das Freiluft-Pinkeln an Deck für hygienisch fragwürdig zu erklären. In den letzten Tagen habe ich ein paar Dinge über Essen gelernt: Je länger man auf See ist, desto größere Portionen Salz und Knoblauch wissen die Mahlzeiten zu verfeinern. Altes Brot wird zu Knödeln, sehr altes Brot zu Knödeln mit viel Knoblauch und Salz. Ein gutes Stück Ingwer im Saft nimmt den überreifen Früchten den gegorenen Geschmack. Guter Nebeneffekt: Gibt man einem Fruchtcocktail ein Stück Ingwer bei, kann man so viel Gin wie gewünscht dazugießen, er wird nicht zu schmecken sein.
In den letzten Nächten habe ich nicht viel geschlafen. Die Gäste trinken viel und schweigen wenig, immer wieder kleinere Unwetter halten uns auf den Beinen. Neben mir auf den Bänken neben dem Tisch schläft eine Mutter mit ihrem Kind. Unter dem Tisch, nur am Schnarchen zu erkennen schläft auch jemand. Ein Kissen ist eben über Bord geweht, ich war zu langsam es aufzuhalten.
Wir kommen von den Inseln, wo die Kartoffeln melonengroß auf den Bäumen wachsen. Wir haben einen Stahlzweimaster unter den Füßen und über uns leuchtet die Milchstraße. Morgen erreichen wir Cartagena. An den Händen habe ich Wunden, die abheilen werden.