Zuletzt der Geburtstag meiner Begleitung. Schanze, Hamburger Berg, Heiligengeistfeld. Am Ende übergibt sich jemand.
„Kotze!“, ruft ein Punk hinter uns, und: „Yeah!“
Am Morgen Kaffee und Telefon, letzte Besprechungen, Stau vor Fuhlsbüttel.
Check Inn, Laptop in eine eigene Box, ja, Jacke und Gürtel auch. Die gewohnte Parfumprobe im Duty Free aufs Handgelenk, der Schritt über die Gangway, und schließlich das Gefühl, als das Flugzeug den Boden verlässt. In einem Blechkasten zwischen zwei Welten. Zur Ablenkung Bordprogramm und gelegentliche Wadenpumpen. Man will ja keine Krampfadern.
Ziemlich genau ein Jahr ist seit meinem letzten Besuch in Rio vergangen. Der Pilot kündete damals den Landeanflug an, die Stadt eröffnete sich wie im Traum. Ein sanfter Nebel lag über den schlafenden Hügeln, dazwischen die goldenen und silbernen Lichter der Favelas. Wie Edelsteine waren sie in die Landschaft gestreut. Sie tauchten den Nebel in schummriges Zwielicht und kündeten von tausend Geheimnisse, die dort unten verborgen lagen.
Dieses Mal ist alles nüchterner. Mittelplatz, kein Fenster zum Hinausschauen, nur der kleine Bildschirm vor uns, der über Flughöhe, Uhrzeit und Temperatur am Ankunftsort aufklärt. 5 Uhr morgens, 21°C bei leichtem Wind.
Hinter der Galerie der Empfangshalle des Aeroporto Galeâo ist es noch duster.
Wir verlassen das Flughafengelände und der Stau in Hamburg ist bald vergessen gegen die Blechmassen, die sich hier unter Blinken und Hupen durch die Straßen schieben. Vier-, fünfspurige Autobahnen, Stoßstange an Stoßstange, dazwischen die kleinen Motorizadas, die die Seitenspiegel der Autos vor ihnen wie Slalomstangen umfahren. Die Avenida Brasil ist eine der Hauptschlagadern Rio de Janeiros. Von hier aus ergießt sich der gesamte Verkehr der Südstadt in die einzelnen Barrios. Links die Stahlkolosse der Baia de Guanabara, rechts das Maracaná als silberner Streif zwischen Lochbacksteinhütten. Wir passieren den Sambadromo, diese massiven Betontribünen, entlang derer alljährlich der Karneval in die Stadt einzieht. Schließlich Laranjeiras, Flamengo, unser Wohnviertel.
Es ist hell geworden, und die Stadt empfängt uns mit all ihrer Musik. Mit Palmen und Sand und Hochhäusern und lauten Stimmen und breiten Alleen. Ineiner Parallelstraße zur Küste steigen wir aus. Überall Klimaanlagen, die die Fassaden der Häuser verschandeln. Ein Portier öffnet uns ein Metalltor, ein Fahrstuhl bringt uns nach oben, jemand hat uns einen Präsentkorb bereitgestellt. Omafliesen und Ventilatoren an der Decke. Ein Fenster zum Innenhof. Und ein Bett, das jetzt, um 7 Uhr morgens einladender aussieht als jedes Meer, jede Palme, jede Strand und jede Prachtalle, die da draußen ruft.
Stimmen aus dem Innenhof, jemand kocht etwas mit Knoblauch in einer anderen Wohnung, als wir die Augen schließen. Bem-vindo.