16. Juni, Isla Coco Bandero
Man sagt, das San-Blas-Archipel bestehe aus so vielen Inseln wie das Jahr Tage hat. Vielleicht ein paar mehr, vielleicht ein paar weniger, je nach Tiede. Manche Inseln sind nicht mehr als ein oder zwei Kokospalmen mit einem Haufen Sand darum herum. Alles sieht aus wie im Film, nur mit etwas mehr angespültem Müll.
Und weil die Inseln so klein sind, können ihre Bewohner auch nicht viel größer sein. Nur wenige der Kuna-Indianer reichen mir höher als bis zur Brust. In ihren Basthütten kann man nur gebückt stehen. Dicht an dicht reihen sich die Unterkünfte, dazwischen spielen die Kinder Fußball mit Tennisbällen.
Der Motor unseres Schiffes läuft in einem gemächlichen Tukka-Takka-Rhythmus. Das kommt nicht von ungefähr, ist doch unser Kapitän der geborene Ephraim Langstrumpf: Er hat lange, blonde Haare, einen goldenen Ohrring, einen dicken Bauch und wenn die Kuna-Yala-Kinder kommen, dann wirft er sie hoch in die Luft und ruft: „Baila, baila, baila!“
Sie nennen ihn Lale. Das ist nicht etwa eine Abkürzung für Lars, sondern das heißt: Südseekönig.
Unsere Crew besteht aus einem Spanier, einem Argintiner, einer Amerikanerin und mir. Wir befördern einen Haufen Touristen, darunter sechs Biker mit Motorrädern, von San Blas nach Cartagena, Kolumbien. Unter Deck gibt es eine Meerwasserentsalzungsanlage, die uns durch einen umgedrehten Osmosevorgang mit Frischwasser versorgt. Die Maschinen müssen stündlich gewartet und geölt werden, die Toilette wird per Handpumpe betrieben. Fünfzehn bis sechzehn Stöße, dann ist der Spülkasten mit ausreichend Wasser gefüllt. Ich darf nicht krank werden, sonst werde ich mir einen Tennisarm holen.
Mittlerweile ankern wir vor der Isla Coco Bandero. Es war ein gemütlicher Zwei-Stunden-Trip; als wir ausliefen, wurden wir von einem Schwarm Fliegenfischen begrüßt. Die Insel ist verlassen, etwa fußballfeldgroß, nur eine Basthütte steht darauf. Das Wasser ist bis auf fünfzehn Meter glasklar. Es gibt Seesterne zu sehen und Korallen und all die bunten Fische, die ich sonst nur aus dem Aquarium meines Zahnarztes kenne. Ein Delfin sagt hallo, zwei, drei Mal taucht er auf, bevor er uns in einem finalen Sprung mit halber Rolle viel Glück für die morgige Überfahrt nach Kolumbien wünscht.
Am Abend machen wir Lagerfeuer. Ich fühle mich wie Gulliver und Robinson und Pi und ich habe einen angemessenen Sonnenbrand auf den Schultern.