Die Brasilianer sind ein schönes Volk. Bunt und sportlich und voller Leben. Sie haben volles und dunkles Haar, und die Körper, vor allem in Rio, sind sehr sportlich. Die Haut in allen Farben von Crème Brûlée bis Lindt Zartbitter. Aber das Prunkstück der Carioca ist ihr Hintern. Groß und prall muss er sein und in ähnlich ausgeformte Schenkel übergehen.
An den Stränden von Copacabana bis Ipanema sieht man Körper, wie sie die Designer von Computerspielen kaum üppiger hätten gestalten können. Männer in Badeshorts, voller Bizeps, Waschbrettbauch und Pectoralis Maior, Frauen in Bikinis, deren zahnseidene Tangas nur zu oft von den sich darüber stülpenden Pobacken verschlungen werden. Einem kühlen Gemüt fällt es schwer, sich nicht bei jedem zweiten Blick über die Strandpromenade als frivolen Lustmolch zu überführen.
Entgegen dem westlichen Trend zur Magerkultur, vorgetragen von unser aller Heidi Klum, kann hier nichts zu prall, zu bunt, zu braun, zu schrill sein. Perna fina, dünne Beine, ist eine Beleidigung hier. Und es ist wohl nicht übertrieben, wenn ich schreibe, von einem typischen cariocischen Hintern kann eine fünfköpfige Familie eine Woche lang satt werden.
Da wo in Deutschland gehungert, blass geschminkt, jedes Gramm Fett dem Körper abgerungen wird, wird hier gerannt, gestemmt und gefeiert. Allein die Tänze, Samba, Forro und Baile Funk brennen sich so sehr in die Waden und Schenkel ein, dass ein paar Wochen Rio einem Trainingslager für die Gesäßmuskulatur gleich kommen.
Im Westen hat sich in den letzten Jahren das Schönheitsideal des Thigh Gap entwickelt. Die Schenkel haben nahe des Beckens so dünn zu sein, dass sich ein Spalt bildet, durch den man hindurch sehen kann. Auf den Urlaubsfotos im Netz findet man die untergehende Sonne nicht mehr auf der Hand schwebend, sondern durch die abgemagerten Beine der Models hindurchscheinend. Das mormonische Twillight-Ideal ist längst überwunden. Es langt nicht mehr, nur ein Strich in der Landschaft zu sein. Man will unsichtbar werden. Der Körper ist etwas, das bekämpft werden muss.
Damit könnte man in Rio nichts anfangen. Hier liebt man seinen Körper. Der Carioca will gesehen werden. Natürlich bringt auch das negative Auswüchse mit sich: Silikon, Botox und Eiweißshakes. Aber die Grundeinstellung zum Körper ist eine andere. Hier wird jedes Gramm des eigenen Leibes gehegt und gepflegt und mit Stolz und Würde über die sandigen Laufstege der Stadt getragen.
Von diesen Hintern könnte man sich in Deutschland gerne eine Scheibe abschneiden. Keine Angst, es ist genug da. Und wer dann immer noch unbedingt ein Thigh Gap haben will, der halte es wie Uwe Seeler. Denn das größte Thigh Gap des Landes hat seine Beine nicht durch Hungern erworben. Sondern durch Fußball spielen.
Und das, das können sie hier auch ganz gut.