18 – Gail an Bord

30. August, Hohe See

Gail sammelt Feuerwaffen und will unbedingt nach Österreich, um die dortigen Sammlungen zu bewundern. Er ist Amerikaner und findet das klasse. Er betreibt Großwildjagd zu Charity-Zwecken und natürlich ist er in der Army. Sein Motorrad ist ein deutsches, weshalb er die deutschen mag, ungeachtet dessen hält er das amerikanische Regierungssystem für die einzig wahre Demokratie der Welt.
Seine Finger manikürt Gail mit äußerster Präzision. Er hat ein Nagelset in der Größe eines Werkzeugkoffers, einmal sah ich ihn vier Stunden lang die Greifer zweier Engländerinnen pflegen, bis es nicht mehr den Hauch einer Unregelmäßigkeit oder Unreinheit zu bearbeiten gab. Man spürte förmlich, wie sich die einzelnen Glieder der Finger in Lauf, Abzug und Zielvorrichtungen seiner Waffen verwandelten und es war bestürzend mit anzusehen, wie sehr er sie vermisste.
Wenn Gail betrunken ist, erzählt er Geschichten über die Großwildjagd: Wie sehr er Giraffen liebe, wie elegant sie seien, und warum er unbedingt eine schießen wolle; wie er tagelang einem verrückten Elefanten aufgelauert hatte, den zu erschießen ihm die Dorfbewohner für 20 000 Dollar aufgetragen hatten (20 000 $, die er bezahlen musste, wohlgemerkt), wie er den Elefanten aber nicht erwischt hatte und deshalb unbedingt noch einmal nach Afrika wolle – wie gesagt, zu Charity-Zwecken. Denn die Afrikaner, so Gail (eine spezifische Länderbezeichnung war ihm nicht relevant), profitierten ja gleich doppelt von ihm: Geld und das Töten lästiger Tiere.
Gail erzählt enthusiastisch und mit glänzenden Augen und wie ein kleines Kind, dem man zwar mal gehörig die Meinung blasen will, das aber zu niedlich ist, um ihm ernsthaft böse zu sein. Immer will ich ihn hauen und gleich danach durch die Haare wuscheln.
Und ich frage mich, was für eine Perversion der Gedanke in sich trägt, ein Tier erst dann wirklich für sich annehmen und begreifen zu können, wenn man es erlegt. Es ist ein Besitzanspruch sondergleichen: Dadurch, dass Gail dem Tier das Leben nimmt, gewinnt er das Leben des Tieres für sich. Es gehört nun ihm. Es ist sein Ausdruck der Zuneigung, sein Zoll des Respekts und plötzlich mache ich mir Sorgen um die Engländerinnen.
Beim Schnorcheln sehe ich eine Schildkröte, die schwimmend durch die Welen krabbelt, nachts tauchen wir durch das Meeresleuchten und der Rum am Lagerfeuer tut sein Übriges. Ein paar Jungs von einem anderen Schiff kommen herüber, unser Käptn moniert, dass er keine „Sausage-Party“ wolle, ich biete dem Käptn des anderen Schiffes Schläge an, und wir alle nehmen es Joan übel, dass er nicht verhindert, dass eines unserer Mädchen von einem Kerl des anderen Schiffs für die Nacht gestohlen wird. Auf der Überfahrt fangen wir zwei Gelbflossenthunfische, die wir in einer guten Sahne-Weißwein-Sauce zubereiteten.
Gail ist überglücklich. Er tanzt um die besiegten Tiere wie um eine Zuckerwatte- Dann fängt er vor Aufregung an, an seine Nägel zu bearbeiten.