3 – Ankunft

18. Juni, Cartagena, Kolumbien

Die Stahlratte liegt im Hafen von Cartagena vor Anker. Im Norden erheben sich die Hochausnadeln von Boccagrande, im Süden die Stahlkräne der Containerterminals. Das Auf und Ab der Seilwinden ist Tag und Nacht zu hören. Ich habe eine Beule am Kopf, eine Brandwunde am Arm, Hitzeausschlag an den Hüften und verschiedene Schnitte und Risse in Händen und Füßen. Man muss sich bei Seegang erst neu zu bewegen lernen.

Meine bisher schlimmste Erfahrung war das Zubereiten von zwanzig Langusten. Die Tiere werden an ihren langen, mit Widerhaken besetzten Fühlern gefasst und dann bei lebendigem Leib in einem Topf kochenden Wassers gegart. Man muss den Deckel sehr schnell auf den Topf setzen, damit nicht zu viel Wasser im Überlebenskampf der Langusten herausspritzt.

Noch jetzt, drei Tage später, dreht sich mir der Magen um, wenn ich daran denke. Ich werde das nie wieder tun können.

Die Überfahrt verlief einigermaßen ruhig. Fast alle Passagiere liefen mit Stechapfelpflastern hinter den Ohren herum, gegen die Seekrankheit.

 

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Ich und die Seekrankheit

In der letzten Nacht kamen einige größere Wellen. Alle Küchengeräte wurden festgezurrt, alles, was offen herum lag, in Kisten verpackt. Immer wieder stieß das Schiff vom Wellenkamm hernieder und tauchte mit dem Bug Richtung Fluten. Die Gicht spritzte über die Rehling.

Ich hatte meine letzte Wache am Nachmittag, konnte aber nachts trotzdem nicht schlafen. Schließlich musste ich mich übergeben. Man könnte meinen, es sei gefährlich, sich nachts bei Wellengang über die Rehling eine über hunder Jahre alten Schiffs zu übergeben, aber tatsächlich habe ich mich noch nie so sicher gefühlt. Noch nie war ich so konzentriert beim Brechen. Da falle ich eher trunken vorm Muddy’s auf die Bahnschienen und lasse mich von der Nordwest-Bahn nach Farge überrollen.

Am nächsten Morgen lag das Wasser spiegelglatt. Mir ging es immer noch schlecht. Eine Krankheit auf See ist eben nicht immer Seekrankheit; ich hatte mir wohl eine Grippe eingefangen. Sofort schossen mir die Gedanken durch den Kopf: Malaria? Gelbfieber? Wann würde ich sterben und wer würde meine Grabstein beschriften? Die Ankunft im Hafen, die Einwanderung (Inmigracion), das Verabschieden der Gäste, all das verlief wie hinter einem verschwommenen Film. Danach nur noch schlafen, trinken und nicht übergeben.

Heute geht es mir etwas besser. Am Morgen haben wir die letzten Motorräder der Gäste von Bord geladen.

Der Tag soll weitgehend der Erholung dienen, erst morgen werden wir uns daran machen, Wartungsarbeiten am Schiff durchzuführen: Putzen, Entrosten, Streichen, Ähnliches.

Gleich werde ich die Stadt erkunden und mir ein Café mit einer sehr guten Klimaanlage suchen.